Das Interesse und die Wiederentdeckung des Cembalos hängen sicherlich mit der Musik von Johann Sebastian Bach zusammen, der unzählige Werke mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden für Cembalo und Orgel komponierte.
Welche Art von Cembalo spielte oder besaß Johann Sebastian Bach? Welches Instrument eignet sich in historischer Hinsicht am besten für die Aufführung seiner Musik?
Ich stelle fest, dass Bachs Musik so hervorragend und intellektuell komponiert ist, dass unabhängig davon, auf welchem Instrument sie gespielt wird – einschließlich der Mundharmonika – sie ihre einzigartige Schönheit nicht verliert.
Um dem Klangkonzept von Bachs Werken jedoch so nahe wie möglich zu kommen, lohnt sich die Durchführung einer historischen Untersuchung, um festzustellen, welches Cembalo ihm zur Verfügung stand.
Dies ist insofern bedeutsam, als auch ein Gedicht bei der Übersetzung in eine andere Sprache zwar seine Schönheit behält, die Emotionen und Klänge des Originals gleichzeitig jedoch verloren gehen.
Im Gegensatz zu Händel, der die Möglichkeit hatte, in Europa zu reisen, zum Beispiel in Italien, agierte Bach regional.
Aus diesem Grund hätte er wahrscheinlich die Cembali spielen können, die von den norddeutschen Cembalobauern gefertigt wurden, oder vielleicht sogar französische Cembali, angesichts des großen kulturkünstlerischen Einflusses, den Frankreich zu dieser Zeit auf den deutschen Hof hatte.
Als Johann Sebastian Bach 1719 Markgraf Christian Ludwig von Brandenburg im Berliner Schloss besuchte, spielte er vermutlich das Cembalo von Michael Mietke (Berlin, 1665–1729) – ein elegantes, französisch orientiertes Instrument mit zwei Manualen und drei Registern.
Auf Schloss Charlottenburg stehen noch heute zwei von Mietke gebaute Cembali, ein einmanualiges und ein zweimanualiges Cembalo.
Zur Zeit Johann Sebastian Bachs und Georg Friedrich Händels wurden Cembali in verschiedenen deutschen Städten gebaut. Eines der Zentren war Hamburg mit erhaltenen Instrumenten der Familien Hass und Fleischer sowie von Christian Zell.
Andere bedeutende Cembalobauer waren Christian Vater in Hannover, Michael Mietke in Berlin, die Familie Gräbner in Dresden, und die Silbermanns in Freiberg und Strassburg.
Bach selbst bestellte während seiner Anstellung am Hof von Köthen (1717-1723), für die die Brandenburgischen Konzerte (1721) komponiert wurden, ein Cembalo bei Mietke, das er persönlich abholte (wie aus den Kammerrechnungen hervorgeht).
Mietkes Cembali und auch die Instrumente von Christian Zell (Hamburg, 1683-1763) sind zum Teil von der italienischen, zum Teil von der französischen Bauschule inspiriert.
Diese “zusammenfassende” Kultur prägt im Allgemeinen die deutsche Kultur der Zeit und ist nicht als Mangel an Originalität zu verstehen, sondern vielmehr als bewusste Kontamination verschiedener Kulturen und Erfahrungen, die zu etwas Neuem zusammengeführt werden.
Das Gehäuse ist nach italienischem Vorbild gebaut und hat einen Boden aus Fichte, auf den die Wände geklebt sind.
Die Proportionen der Tastaturen mit einem ziemlich fortgeschrittenen Gleichgewichtspunkt und einem schnellen Ansatz erinnern an die italienische Schule.
Der Resonanzboden und seine Elemente sind hingegen der französischen Schule nachempfunden.
Zu beachten sind die im Vergleich zu den französischen Instrumenten recht hohen Stege und die Proportionen des Resonanzbodens im Bass.
Diese Elemente erzeugen beabsichtigt einen sehr ausgewogenen Effekt zwischen Bass und Diskant, der sich hervorragend zum Spielen des Kontrapunkts eignet.
Mietkes Instrument verfügt über einen ursprünglichen Umfang von fast fünf Oktaven, von FF im Bass (ohne FFis) bis zu e3 im Diskant (59 Töne).
Die beiden Tastaturen mit Schiebekoppel steuern zwei 8´- und ein 4´-Register.
Der Lautenzug, die üblicherweise auf französischen Instrumenten zu finden ist (aber nicht auf italienischen), fehlt.
Johann Sebastian Bach,
Sonate für Violine und Cembalo
Cembalo nach Michael Mietke,
William Horn, Brescia 1999
Sonate in G DUR BWV 1019, Allegro
Giuliano Carmignola,
Andrea Marcon
Der Mythos, Bachs Cembali hätten ein Register von 16´, beruht auf einem Cembalo der Familie Harras (tätig in Thüringen bei Großbreitenbach), das im zwanzigsten Jahrhundert unbegründet als Bachs Cembalo proklamiert wurde.
Die einzigen Originalbeispiele für ein 16´-Instrument stammen von dem seinerzeit in Hamburg tätigen Hieronymus Albrecht Hass (Hamburg, 1689-1752).
Ein völlig exzentrischer Cembalobauer, der mehrere experimentelle Cembali gefertigt hat, wie beispielsweise ein Cembalo mit drei Klaviaturen und einem 2´-Register.
Dies sind technisch interessante Instrumente, die aber keinesfalls repräsentativ für die damalige Musikinstrumentenkunde sein können.
Zu Beginn meiner Karriere entdeckte ich Mietkes Instrumente nach einem Gespräch mit Gustav Leonhardt (1928-2012), dem ich die Frage stellte, auf welchem Cembalo sich Bach-Musik am besten spielen ließe.
Leonhardt beriet mich und empfahl mir, eine Kopie von Michael Mietke zu bauen, die ich 1998 zum ersten Mal anfertigte.
Dieses Instrument wurde 1999 durch ein Konzert von Andrea Marcon eingeweiht. Später fand es Verwendung in Aufnahmen und Konzerten von Andrea Marcon, Gustav Leonhardt, Bob van Asperen, Kenneth Gilbert und Jean Rondeau.
Der Musikwissenschaftler Carlo Bianchi hat sich eingehend mit diesem Cembalo und den Beziehungen zwischen Bach und Mietke befasst.
Der Artikel, den Sie HIER herunterladen können, sammelt und fasst verschiedene Forschungen zu diesem Thema zusammen, die im Laufe der Jahre stattgefunden haben.
Auf dieser Reise zur Wiederentdeckung von Bachs Klangwelt können wir den Maestro idealerweise auf seinem Weg von Köthen nach Berlin begleiten, wo er vielleicht, um das Cembalo anzuspielen, zum ersten Mal die Kadenz des fünften Brandenburgischen Konzerts gespielt hat…